Zum Stück
Der Titel ist Schwindel. Die meisten Figuren in diesem Stück suchen
nicht nach der Wahrheit. Sie glauben sie gefunden zu haben. Darum
folgt dieses Stück nicht den Gesetzen des Theaters, denn ein Großteil
der Personen macht keine Entwicklung durch. Sie bleiben stehen.
Vorsicht! Ist das in unserem Leben vielleicht auch so? Je mehr
„Erfahrung“ wir haben, desto weniger sind wir bereit, Änderungen zu
akzeptieren, denn das macht ein Umdenken erforderlich und das
wiederum bedeutet Arbeit. Außerdem geben wir ungern Irrtümer zu.
Wir wissen, wie das Leben funktioniert. Das reicht uns, gibt uns
Sicherheit und Selbstbewusstsein.
So gerüstet treten wir älteren den jüngeren Menschen gegenüber.
Schließlich haben wir ihnen ja auch eine Menge voraus. Ihre
(ver)störenden Fragen überhören wir gerne. Stattdessen machen wir
ihnen großzügige Geschenke aus dem reichen Schatz unserer
Erfahrungen. Es ärgert uns, wenn sie unsere gut gemeinten
Ratschläge nicht annehmen, sondern alle Fehler, die wir doch schon
gemacht hatten, selbst durchleiden wollen.
Aber Hand aufs Herz: Sind wir tatsächlich so gescheit? Bedenken
Sie, dass selbst ein Mensch wie Martin Luther, der das Denken seiner
Zeit in vielen Dingen auf den Kopf gestellt hat, ein Mensch, dessen
Einsichten die Welt verändert haben und den Weg zu einer
aufgeklärteren Gesellschaft geebnet haben, in vielen der damals
herrschenden Ansichten gefangen war. Manches gab er von sich, das
heute haarsträubend klingt.
Noch einmal die Frage: Sind wir wirklich so gescheit? Wir orientieren
uns in vielen Dingen am Zeitgeist und dem, was halt die Mehrheit so
macht. Hat unsere Zeit Recht? Wir halten sie für „modern“, weil sie in
der neuesten aller Zeiten stattfindet, nämlich heute. Daher glauben
wir an der vordersten Front der Entwicklung zu sein. Bedenken Sie
aber, dass es für Luther vor 500 Jahren genauso war und der Mann
war wirklich ein großer Vordenker. Versuchen Sie sich auszumalen,
was man in einem halben Jahrtausend über uns sagen wird.
Ich finde, Valerie macht es richtig. Sie folgt nicht blind den Autoritäten
und lässt sich auf das Abenteuer Leben ein. Ich wünsche ihr, dass sie
nicht voreilig ihre Anker wirft und sich an sicheren Küsten an ihrem
Proviant aus Erfahrungen fett frisst. Möge sie noch lange auf der
Suche nach den Wahrheiten bleiben.
Rüdiger Baumann
Die Wahrheitssucher
Die Wahrheitssucher
von Rüdiger Baumann
WARNHINWEIS FÜR ALLERGIKER:
Dieses Stück enthält Spuren von Luther.
2017 können viele diesen Namen nicht mehr hören. Darum kommt
hier eine Teilentwarnung: Es wird nicht das Leben des Reforma-
tors nachgespielt. Kein Blitz, keine Katharina, kein Bann.
Nein, UNSER Leben wird nachgespielt. Ein klitzekleiner Aus-
schnitt. Wir sind alle auf der Suche nach dem richtigen Weg, dem
Glück, dem Sinn. Kurz: Nach der Wahrheit. Wir irren alle und ganz
besonders jene, die meinen, sich auszukennen.
Valerie macht ihr Floß startklar für die Reise in ihr Leben als
Erwachsene. Ihre Eltern stehen ihr mit nervenden Ratschlägen
und erdrückender Fürsorglichkeit zur Seite. Dann tauchen auch
noch ein Priester und ein Protestant auf, um ihr zu helfen. Hilfe!
Es spielt der Schauhaufen:
Nadine Dörfler, Silvia Canola-Haußner, Anja Gimpel-Henning /
Anja Müller, Martin Fleischmann, Raimund Pretzer, Bärbl Zeller,
Günter Zeller, Jürgen Zinck.